Wir sind vernetzt und verbunden (connected) mit Dingen, Personen, Geschehnissen, die uns nicht direkt betreffen, die aber trotzdem – und zum Teil große – Wirkungen und Auswirkungen auf uns haben. (Christakis, Fowler: Connected 2009 S. 30)
Das Buch „Connected“ von Christakis und Fowler will diese Netzwerk-Effekte in ganz verschiedenen Bereichen zeigen.
Auf das Buch aufmerksam gemacht hat mich Herr Böhm – Dozent an der Leipzig School of Media.
In der Einleitung beschreiben die Autoren ihre Forschungsmotivation und ihr Forschungsinteresse. Hier wird klar, dass sie sich der Netzwerktheorie nicht (nur) aus der technologischen sondern aus der sozialen und medizinischen Perspektive nähern.
Das erste Kapitel heißt „In the thick of it“ und beschreibt die Grundlagen und Grundregeln von Netzwerken, wie sie die Autoren sehen. Das Kapitel war sehr spannend und flüssig zu lesen. Mir zeigt sich mal wieder, dass vor allem amerikanische wissenschaftliche Literatur alles andere als unverständlich und trocken ist.
Die Autoren grenzen die Begriffe Gruppe und Netzwerk voneinander ab.
Bei einem Netzwerk rücken die Verbindungen zwischen Individuen in den Focus (z.B. Freundschaften). Im Gegensatz dazu die Gruppe, die sich aus Individuen mit gleichen Merkmalen (z.B. blonde Haare) zusammensetzt. (Christakis, Fowler: Connected 2009 S.9)
Für mich ist diese Abgrenzung ein weiterer Anlass dafür, im Zusammenhang mit der Kommunikation im Social Web nicht von Zielgruppen sondern von Netzwerken/Communities zu sprechen. Die Kommunikationswissenschaft spricht ja überhaupt eher von Öffentlichkeiten denn von Zielgruppen. Und die technischen Kommunikations- und Interaktionsmöglichkeiten im Social Web helfen, Netzwerke darzustellen bzw. machen diese greifbar / ansprechbar.
Christakis und Fowler nennen fünf Regeln im Netzwerk. (Rules of life in the network S.16ff)
- We shape our network
- Our network shapes us.
- Our friends affect us.
- Our friend´s friend´s friends affect us.
- The network has a life of its own.
Gerade die vierte Regel zeigt, wie komplex ein Netzwerk ist. Netzwerke sind nicht linear und so ist auch nicht die Kommunikation innerhalb des Netzwerkes.
Die fünfte Regel mag erschreckend klingen. Im Prinzip geht es darum, dass ein Netzwerk Besonderheiten und Merkmale hat, die völlig unabhängig von den Individuen im Netzwerk sind. Ich finde es faszinierend, wenn die Autoren als Beispiel die Stadion LaOla und den Verkehrsstau beschreiben. (Christakis, Fowler: Connected 2009 S.24f)
Netzwerke bestehen aus Verbindungen (connection) und Einfluss / Ansteckung (contagion).
These properties, connection and contagion, are the structure and function of social networks. They are the anatomy and physiology of the human superorganism.
(Christakis, Fowler: Connected 2009 S. 30)
Die Regel, dass jeder Mensch über sechs andere Personen mit jedem Menschen verbunden ist, ist wohl mittlerweile ziemlich populär. Die Autoren nennen das six degrees of separation und es ist eine Beschreibung der Verbindungen (connection) im Netzwerk.
Die Regel, dass der Einfluss auf uns über drei Verbindungen bzw. Stufen nicht hinaus geht, ist wahrscheinlich nicht so bekannt. Die Autoren nennen das three degrees of influence und es ist eine Beschreibung der Einflussmöglichkeiten (contagion) im Netzwerk.
The science of social networks provides a distinct way of seeing the world because it is about individuals and groups, and about how the former acutally become the latter. (Christakis, Fowler: Connected 2009 S.32)
In den weiteren Kapiteln wollen die Autoren des Buches dann darstellen, wie das Wissen um die Regeln des Netzwerkes Auswirkungen auf die gesellschaftlichen Prozesse haben kann und soll. Dabei geht es um so wahrlich untechnische Probleme wie politische Meinungsbildung oder Gesundheitswesen.
Ich habe mich durch die Kapitel 2, 3 und 4 durchgewurstelt. Obwohl ich immer wieder spannende Erkenntnisse und Erklärungen für soziale Verhaltensweisen, zwischenmenschliche Beziehungen und gesundheitliche Ansteckung gelesen habe, wird die Lektüre immer zäher. Das muss nicht unbedingt am Stil und am Thema liegen. Mir fehlt vielleicht auch nur die Zeit und die intellektuelle Kapazität bei der abendlichen Zugfahrt mich mit Netzwerktheorie und Impfaktionen in englischer Sprache auseinander zu setzen.
Jetzt gerade sehe ich, dass die Übersetzung schon erschienen ist.
Nicholas A. Christakis und James H. Fowler
Connected : the surprising power of our social networks and how they shape our lives
New York, Verlag Little, Brown, 2009
338 S.
978-0-316-03614-6